24.04.2017 / Fluch oder Segen – ein schicksalhaftes Profil - aus "Minkas Leben"
Es dauert eine Weile bis ich mich von dieser Neuigkeit erholt habe, wobei ich noch nicht ansatzweise mit der Verarbeitung des Ganzen begonnen habe. Aufgebracht tigere ich über das Sofa, während sich meine Gedanken überschlagen. Maja fixiert mich. Sie begreift natürlich nicht, weshalb mich der Anblick dieses Herrn in solch einem Maße aus der Bahn geworfen hat. Wie sollte sie das auch nur ansatzweise erahnen können. Erneut blicke ich auf das Display. Es hat sich nichts geändert. Jettes Vater lächelt uns noch immer freundlich an.
Da sind sie wieder - alle guten und diese eine schlechte Erinnerung, die mich fast mein Leben gekostet hätte. Von dem Verlust meiner Jette mal ganz abgesehen.
»Was hast du denn nur meine kleine Minka? Findest du ihn nicht ansprechend? Seinem Profil zufolge hat er eine Tochter, aber das ist nicht schlimm, denn er ist alleinstehend. Ist das nicht wundervoll? Ich werde ihm gleich schreiben, ob er Interesse an einem gemeinsamen Essen hat«, ich fahre herum und taxiere Maja. Wie alleinstehend? Hat er dieser Hexe etwa den Laufpass gegeben? Charly stupst mich mit seiner Schnauze an. Sein Blick ist fragend und tröstend zugleich. Dieser olle Hund kennt mich wirklich gut. Wie gerne würde ich ihm meine Geschichte erzählen, doch unsere unterschiedlichen Sprachen erlauben uns gerade mal eine Kommunikation, die alltägliche Angelegenheiten betrifft, auch wenn wir die Gefühlwelt des Anderen mit bloßem Auge erkennen. Diese Neuigkeit muss ich allein verarbeiten. Ich versuche Barbara auszublenden, da sie anscheinend eh keine Rolle mehr spielt und das ist auch gut so. Obwohl ich mich schon frage, ob sie wegen ihrer hinterlistigen Tat verlassen wurde. Verdient hätte diese Hexe es allemal.
Wenn sich Maja also mit Jettes Vater trifft und sich die beiden verlieben sollten, dann besteht ja irgendwie die Chance, dass ich meine Jette wiedersehe. Andererseits wäre ich natürlich wahnsinnig enttäuscht, wenn dieser Fall wiederum nicht eintritt. Das ist ein ganz schön komplexes Thema, welches vielfältig ausgehen könnte. Vielleicht sollte ich nicht so egoistisch sein. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass Maja ihren perfekten Partner findet und ich meine Jette wiedersehe. Ich sollte also alle negativen Eventualitäten ausblenden und meine Hoffnung in ein Happyend für alle stecken. Charly würde Jette auch lieben, das weiß ich. Euphorisch springe ich auf Jettes Schoß und versuche meine Zustimmung mit einem wohlklingenden Schnurren auszudrücken. Charly legt den Kopf schräg und schaut mich fragend an. Ich glaube, dass ihn meine Gefühlsachterbahn manchmal verstört und das kann ich sogar nachvollziehen.
Maja ist hocherfreut und beginnt sogleich mit dem Tippen einer Nachricht. Selbstredend wird diese immer wieder gelöscht, weil irgendein Wort nicht passend ist, sodass sich das Verfassen dieses kurzen Textes stundenlang hinzieht. Wenn ich nicht so aufgeregt wäre, würde ich es Charly gleichtun und friedlich schlummern, aber ich durfte kein Risiko eingehen, nicht dass Maja aus ihrer Unsicherheit heraus noch weiche Knie bekommt.
»Hoffentlich denkt er nicht, dass ich eine verrückte Stalkerin bin«, runzelt sie die Stirn. »Ich sollte ihm wohl doch nicht schreiben«, nuschelt sie unsicher vor sich hin.
Ha welch Glück, dass ich eine gerissene Katze bin und flinke Tatzen habe. Bevor sie sich versieht, drücke ich mit meiner Pfote auf ein großes Symbol und sehe anschließend ein kleines Brieflein in Bewegung.
»Minka du verrücktes Ding, was hast du nur angestellt?« Majas Hautfarbe hat sich rapide aufgehellt und ein Anflug von Panik steht ihr ins Gesicht geschrieben. Ich hingegen freue mich, miaue sie fröhlich an und mache es mir auf ihrem Schoß bequem. Sie hat es so gewollt. Wie toll wäre ein gemeinsames Leben mit Jette, Maja und Charly denke ich, bevor ich einen wundervollen Tiefschlaf verfalle.